Gefäßgesundheit, "healthy aging" und Prävention

Ganzheitliche Betreuung bei kardiovaskulärenErkrankungen

Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Apparates zu erhalten ist ein umfassendes und ganzheitliches Thema. Im Folgenden wird ein Bogen zwischen aktueller Literatur und Guidelines sowie der täglichen Praxis mit Wünschen, Tipps und Vorurteilen geschlagen.

Im ganzheitlichen Management erfolgt eine thematische Beschränkung auf die Atherosklerose und ihre Manifestationen in den Stromgebieten Gehirn, Herz, Aorta und periphere Gefäße. Im Wesentlichen spielt die Trias richtige Ernährung, regelmäßige körperliche Bewegung und das Erreichen eines psychischen Gleichgewichtes in der Prävention die wichtigste Rolle.

Kardiovaskuläre Prävention

Die Erkenntnisse zu den kardiovaskulären Risikofaktoren basieren auf den Ergebnissen der Framingham-Studie, die 1948 in der Kleinstadt Framingham an der Ostküste der USA initiiert wurde. Dahinter standen Versicherungsunternehmen, die Personen mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität identifizieren wollten (die damit höhere Kosten verursachen könnten). Die Original-Framingham-Daten, für alle Gefäßgebiete geltend, wurden in der internationalen und viel größer angelegten INTER-HEART-Studie nochmals abgesichert. Seither besteht kein Zweifel an der Bedeutung der kardiovaskulären Haupt-Risikofaktoren, wobei in INTER-HEART die Reihenfolge der Wichtigkeit festgelegt wurde.

Aus den Framingham-Ergebnissen wurden jeweils ein 10-Jahres-Myokardinfarkt-Risikoscore (mit 6 Faktoren: Geschlecht, Alter, Rauchen, systolischer Blutdruck, Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin) und ein 10-Jahres-Apoplexie-Risikoscore (mit 8 Faktoren: Geschlecht, Alter, systolischer Blutdruck, Diabetes, Rauchen, koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern, linksventrikuläre Hypertrophie) entwickelt. Beide wurden erst jüngst wieder validiert.

Nicht nur global existiert eine unterschiedliche Verteilung von Risikofaktoren (Menschen in Japan, Grönland, Afrika versus in Europa, USA). Auch in Österreich haben Menschen im Osten des Landes durchschnittlich mehr exogene Risikofaktoren mit den Folgen einer früheren Manifestation einer Atherosklerose und einer erhöhten Mortalität als jene im Westen. Veränderungen der Wohnsituation bewirken Veränderungen des individuellen Lebensstils und die Modifikation des Risikofaktorprofils. Wie erst kürzlich publiziert, spielen dabei auch weitere Faktoren wie die Luftverschmutzung (Reduktion der Lebenserwartung 2,2 Jahre), die Außentemperatur (besonders empfindlich: Personen mit Diabetes mellitus und/oder Dyslipidämie), chronische Schmerzen und die Schlafdauer (optimale Zeit 6–8 Stunden, J-Kurve!) eine Rolle.

Tabelle 1 fasst die Risikofaktorbeeinflussung und Risikoreduktion zusammen, wobei bei Verbesserung des individuellen Risikoprofils kombinierte Effekte auftreten können.

Für jedes Stromgebiet existieren Haupt-Risikofaktoren (Herz: Cholesterinerhöhung, Gehirn: arterielle Hypertonie, Gefäße: Zigarettenrauchen). Die Perfusion erfolgt im Gehirn früh-, in den Gefäßen spätsystolisch, während das Herz überwiegend diastolisch durchblutet wird. Auch die Morphologie ist hinsichtlich des Kalibers und der Tortuosität unterschiedlich. Koronararterien sind als einzige Schlagadern funktionelle Endarterien. Außerdem muss auf die Komplexität des Schlaganfalls
(u. a. Unterscheidung zwischen Ischämie und Blutung) hingewiesen werden.

Summa summarum sollen alle Gefäßregionen mit einer interdisziplinären, ganzheitlichen Betrachtungsweise berücksichtigt werden. Die Atherogenese ist ein chronisch rezidivierender, progredienter Prozess, am besten skizziert in der sogenannten Braunwald-Kaskade (Abb. 1). Mit höchster Wahrscheinlichkeit steht am Beginn der Atheroskleroseentwicklung die endotheliale Dysfunktion. Mit zunehmender Einlagerung von diversen Zellen, Cholesterinpartikeln und Fibrosierung spielt die erhöhte Gefäßsteifigkeit eine wichtige Rolle ("Man ist so alt wie seine Gefäße").

Der Mensch mit oder ohne atherosklerotische Herz-Gefäß-Krankheit steht im Spannungsfeld von zahlreichen Einflussgrößen, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben können (Abb. 2, S. XXX).

Risikofaktoren

Im Folgenden wird auf die Risikofaktoren entsprechend der Reihenfolge, die in der INTER-HEART-Studie festgelegt wurde, eingegangen. Zudem werden Maßnahmen zur Risikoreduktion und die jeweiligen Zielwerte zusammengefasst.

Dyslipidämie (Apo B [LDL-C]/ Apo A [HDL-C])

In der Primärprävention sollten ein Gesamtcholesterinwert von < 200mg/dl und ein LDL-Cholesterin-Wert von < 100mg/dl angestrebt werden (Sekundärprävention LDL-C < 70mg/dl). Obwohl wissenschaftlich nachgewiesen ist, wie gefährlich eine Fettstoffwechselstörung ist und dass sie mit Statinen erfolgreich behandelt werden kann, stehen viele Patienten und Ärzte der Therapie skeptisch gegenüber. Das Konzept "the lower, the better" konnte durch alle kontrollierten klinischen Studien nicht nur für Statine, sondern auch für Lebensstilmaßnahmen, den Cholesterinabsorptionshemmer Ezetimib und PCSK-9-Hemmer nachgewiesen werden. In der Sekundärprävention sollten sogar Werte < 55mg/dl angestrebt werden, um eine Plaquereduktion zu ermöglichen.

Zigarettenrauchen

In den erwähnten epidemiologischen Studien wurden auch Personen, die pro Tag weniger als fünf Zigaretten rauchen, als Nichtraucher eingestuft. Zigarren-, Zigarillo- und Pfeifenrauchen wurden ebensowenig berücksichtigt wie Shisha- oder E-Zigarettenkonsum sowie das Passivrauchen (schwer quantifizierbar). Aufgrund des Suchtpotenzials ist die bloße Reduktion des Zigarettenkonsums vielfach keine geeignete Maßnahme zur guten Compliance. Zum Entwöhnen vom Rauchen werden viele Therapieansätze angeboten, die Rückfallrate bleibt jedoch hoch. Aus medizinischer Sicht sind vom Staat angeordnete Raucherschutzmaßnahmen sowie Rauchverbote zu unterstützen.

Diabetes mellitus

Anzustreben ist ein HbA1c-Wert von < 6,5 %. Dies gilt für Personen, bei denen bislang keine Zuckerkrankheit diagnostiziert wurde. Vielfach besteht bei Personen mit metabolischem Syndrom eine pathologische Glukosetoleranz, die durch einen Glukosebelastungstest abgeklärt werden sollte. Im Vordergrund der nicht medikamentösen Therapie stehen Lebensstilmaßnahmen, wie sie auch für Nichtdiabetiker gelten.

Arterielle Hypertonie

Der Zielblutdruck hat sich in den letzten Jahren mehrmals geändert. Zuletzt wurde als normaler Blutdruck ein Wert von < 120/80 mm Hg definiert, bei bestehender arterieller Hypertonie ein Zielwert von < 140/90 mm Hg. Mit zunehmendem (Hypertonie-)Alter steigt der systolische Blutdruck, bei gleichzeitiger Reduktion des diastolischen Werts. Die Amplitude, der sogenannte Pulsdruck, wird stetig größer und spiegelt die vermehrte Gefäßsteifigkeit wider. Für die Graduierung einer Hypertonie gilt jeweils der höhere gemessene systolische oder diastolische Wert. Ein Bluthochdruck wird von vielen Betroffenen ignoriert, so ist nur ein Drittel aller Hypertoniker mit ihrer blutdrucksenkenden Therapie im Zielbereich (mittlerer 24-h-Blutdruck < 135/85 mm Hg, Selbstmessung: weniger als 7 von 30 Messungen > 140/90 mm Hg).

(Abdominelle) Adipositas

Hinsichtlich des Körpergewichts ist neben dem Body-Mass-Index (BMI < 25) vor allem der Bauchumfang – gemessen jeweils an derselben Stelle – bedeutsam. Die Richtwerte liegen bei Männern < 94 cm, bei Frauen < 80 cm. Man weiß, dass die Fettverteilung von prognostischer Bedeutung in Bezug auf atherosklerotische Folgekrankheiten ist (schlechter: "Apfeltyp", besser: "Birnentyp"). Andererseits gibt es auch den "gesunden Dicken", der körperlich fit ist und keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren aufweist. Übergewicht und Bewegungsmangel gelten als die Risikofaktoren, die stetig zunehmen.

Psychosozialer Stress

Von zentraler Bedeutung für die Gefäßgesundheit ist das Erzielen des psychischen Gleichgewichts – ein Leben in Harmonie mit Familie, Freunden und in Gemeinschaften. Psychologen zeigen immer wieder auf, dass die Basis unseres "ungesunden" Lebensstils in unserer Psyche liegt. Dabei sind neben dem Stressverhalten auch Depression und Vereinsamung entscheidend. Der Verlust eines Lebenspartners oder des Berufs lässt nicht nur das Risiko für Suizidalität deutlich ansteigen, sondern auch das für Herzinfarkt und Schlaganfall durch das höhere Risiko für eine stressinduzierte Plaque-Ruptur.

Eine adäquate Compliance bei Lebensstilmaßnahmen hat offenbar eine noch größere Bedeutung als die medikamentöse Therapie.

Psychologische Betreuung

Im Bereich der Lebensstilmodifikation kann die klinisch-psychologische Behandlung hilfreich sein. Die Bedeutung von psychischer Ausgeglichenheit, Entspannung, Sport, guten Sozialkontakten, Rauchstopp, gesunder Ernährung etc. ist hinlänglich bekannt. Aber dieses Wissen auch in den Alltag zu integrieren und umzusetzen ist eine der größten Hürden für einen gesunden Lebensstil. Im Rahmen eines psychologischen Coachings wird individuell, bedürfnisorientiert und auf die Lebensumstände zugeschnitten mit den betroffenen Personen gearbeitet. So kann ein erster Schritt darin bestehen, bereits vorhandene Ressourcen und Veränderungspotenzial festzustellen. Wurde der Bereich identifiziert, in dem der Patient bereits über Veränderungspotenzial und hohe Motivation verfügt, wird dort begonnen und nicht bei der schwierigsten Herausforderung. Mit einem bereits vertrauten Thema anzufangen verspricht rasche erste Erfolge, die zum Weitermachen motivieren. Parallel dazu lernt der Patient, seine körperlichen und emotionalen Signale besser zu verstehen und darauf zu hören. Zudem wird immer wieder hinterfragt, ob sich der Betroffene mit den Veränderungen in seinem Alltag wohlfühlt. Ist das erste Teilziel geschafft, sollte man sich dafür eine zuvor definierte Belohnung gönnen. Imaginationen vom bereits erreichten Zielzustand helfen, dieses Ziel auch wirklich zu erreichen. Manchmal hilft es auch, sich eine andere Person, die in einer Verhaltensveränderung bereits erfolgreich war, als Vorbild zu nehmen. Ein Tagebuch über alle erfolgten Schritte zu führen kann ebenso dabei helfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Sollte es dennoch zu "Rückfällen" in frühere Verhaltensmuster kommen, so werden die Ursachen dafür gemeinsam mit den Patienten eruiert und es wird an einer alternativen Herangehensweise gearbeitet.

Ein Rückfall bedeutet keinesfalls Versagen!

Gemüse- und Obstverzehr

Der tägliche Verzehr von Gemüse, Salat und Obst sollte angestrebt werden, dabei ist auf die Qualität der Speisen zu achten. Fallstricke sind dabei zahlreich – so sind etwa gebackene Champignons mit Sauce tartare sowie Kartoffel- und Mayonnaisesalat keineswegs eine kalorienarme Kost, auch wenn es sich dabei um Gemüse handelt.

Wichtig ist es, dass Obst und Gemüse in den täglichen Ernährungsplan einbezogen und nicht zusätzlich konsumiert werden. Obst als Snack ist als Kalorienbombe vergleichbar mit Süßigkeiten.

Bewegung

Regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig, wenn man die Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen eindämmen möchte. Ausdauertraining sollte dabei stets mit Kraftübungen im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel kombiniert werden. Regelmäßige moderate Bewegung führt zu einer Verringerung der Blutdruck-, Blutzucker- und Blutfettwerte und wirkt sich positiv auf die Durchblutung aus. Ebenso kommt es durch körperliche Betätigung zu einem schnelleren Zellaustausch und Ausscheiden von Stoffwechselprodukten durch körperliche Betätigung. Sport und Bewegung können alleine und/oder in der Gruppe betrieben werden. Sie tragen dazu bei, Stress zu reduzieren und herausfordernde Aufgaben auch ohne ein Zurückgreifen auf Alkohol, Zigarettenrauchen oder andere kurzfristig dämpfende Mittel zu meistern.

Bewegung ist nicht gleichzusetzen mit sportlicher Aktivität. Es geht auch um die Aktivität im Alltag, am besten quantifizierbar mit einem Schrittzähler. Internationale Empfehlungen raten zu 30 Minuten Bewegung bei mäßiger Anstrengung an zumindest fünf Tagen pro Woche. Eine US-Studie fand anhand dieser Empfehlungen heraus, dass dies mit mindestens 8000 Schritten pro Tag bzw. 50 000 Schritten pro Woche erreicht wird. Es spricht aber nichts dagegen, sich mehr zu bewegen. Man kann anfänglich kleinere Ziele haben, etwa 1000 Schritte am Tag zu gehen (entspricht etwa 500 Metern). Sinnvoll ist es auch, dies in den Alltag einzubauen, indem man zum Beispiel auf den Lift verzichtet, eine Station früher aus dem Bus aussteigt, in größerer Entfernung vom Büro parkt oder in der Mittagpause eine "g’sunde Runde" um das Gebäude geht. Hält man sich an die Empfehlungen, reduziert man sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 20 %.

Alkohol

Ein wenig Alkohol täglich scheint sich günstig auf die Gefäßgesundheit auszuwirken. In Österreich wird jedoch statistisch gesehen das Dreifache der in den Leitlinien empfohlenen täglichen Alkoholmenge konsumiert. Von präventiver Seite besteht die Empfehlung zum täglichen Konsum von ⅛ Liter Wein, bevorzugt von in Barrique gereiftem Rotwein. Auf die Kalorienmenge muss hingewiesen werden.

Stellenwert von Pharmaka in der kardiovaskulären Prävention

In der Primärprävention (wenn es keinen Hinweis auf einen atherosklerotischen Befall gibt) werden nach wie vor keine Arzneimittel empfohlen. Gerade von der in den USA großzügig verwendeten Acetylsalicylsäure (ASS) wurde in Studien und Metaanalysen gezeigt, dass sie bei kaum erkennbarer Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte die Blutungsneigung signifikant steigert. Antihypertensiva, Lipidsenker (bevorzugt Statine) und Antidiabetika sollen bedarfsorientiert eingesetzt werden. Wichtig ist es, auf die Interaktion von zahlreichen Nahrungsmitteln, beispielsweise Grapefruit, Johanniskraut oder Jostabeere, mit Medikamenten zu achten und die Patienten darüber aufzuklären. Für die Cholesterinsenkung bieten sich alternativ Nahrungsergänzungsmittel (z. B. rotes Reismehl, Berberitze, Bergamotte) an, auch wenn dazu keine klinischen Endpunktstudien vorliegen.

Zur Verbesserung der Patientenadhärenz empfehlen die aktuellen Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft Kombinationspräparate, sogenannte Polypills. Sie enthalten ein oder mehrere Antihypertensiva (z. B. ACE-Hemmer), einen Cholesterinsenker (meist ein Statin) und ASS in verschiedenen, individuell steuerbaren Dosierungen.

Co-Autoren:

Ärzte- und Therapeutenteam der Klinik Wilhering
(Namen in der online-Version ersichtlich)

Lecture Board

Prof. Dr. Robert Zweiker

Klinische Abteilung für Kardiologie

Medizinische Universität Graz

E-Mail: robert.zweiker@medunigraz.at

Prof. Dr. Bernhard Ludvik

1. Medizinische Abteilung mit Diabetologie,

Endokrinologie und Nephrologie

Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien

E-Mail: bernhard.ludvik@wienkav.at

Ärztlicher Fortbildungsanbieter

Klinik Wilhering GmbH

Organisation

Universimed Cross Media Content GmbH

Klinik Wilhering

E-Mail: bernd.eber@klinik-wilhering.at

Web: www.prof-eber.at

Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Eber

"The doctor of the future will give no medicine, but will interest his patients in the care of the human frame, in diet and in the cause and prevention of disease"

Thomas A. Edison XDFP-PunkteVentrikuläre DilatationKognitive StörungenInfarktApoplexieAtheroskleroseRisikofaktorenHerzinsuffzienzRezidivinsultTerminale HerzerkrankungDemenzKardio-/zerebro-vaskulärer Tod
  1. Dzau V, Braunwald E; AHJ 1991

Abb. 1: Das zerebro-kardio-vaskuläre Kontinuum"One way ticket"Fortsetzung Seite XX
FALL 1:

Wunsch nach intensiviertem Trainingsprogramm

Der Patient:

  1. 48 Jahre

  2. 179 cm

  3. 86 kg

  4. Jurist

  5. geschieden, keine Kinder

  6. Risikoprofil: metabolisches Syndrom

Anamnese: Der Patient hat in den vergangenen Monaten eine langwierige Scheidung durchlebt und möchte nun sein Leben hinsichtlich seines Risikoprofils verändern. Ihm ist bewusst, dass er leicht übergewichtig ist (BMI 26,8) und sich wenig bewegt. Die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio hat jedoch keine Steigerung hinsichtlich des körperlichen Trainings gebracht.

Diagnostische Abklärung: Zunächst sollte der kardiovaskuläre Status des Mannes erfasst werden: Anamnese, Status praesens, Risikofaktorprofil, Laboruntersuchung, EKG, ambulantes Blutdruckmonitoring oder Blutdruckselbstmessung. Ein Belastungs-EKG sollte einerseits zum Ausschluss des Ischämierisikos, andererseits zur Bestimmung der Trainingsherzfrequenz absolviert werden.

Empfehlungen: Die Anschaffung einer modernen Pulsuhr (ohne Brustgurt) unterstützt die tägliche Bewegung und das vorgeschlagene Trainingsprogramm. Empfehlenswert ist das Einbeziehen eines Sportwissenschaftlers und möglicherweise eines Psychologen, um als therapeutisches Team eine einheitliche Empfehlung der therapeutischen Maßnahmen zu geben. Wichtig ist es, das Programm an den Tagesablauf des beruflich aktiven Menschen anzupassen und realistische Ziele zu definieren. Für die Umstellung des Lebensstils braucht es nicht nur Disziplin, sondern auch ein gewisses Maß an Egoismus, um konsequent die Zielvorgaben zu erreichen. Die aktive Teilnahme an Sportveranstaltungen (z. B. Volksläufe, Hobby-Radrennen) kann diesbezüglich unterstützend wirken, ist aber nicht für jeden Menschen eine geeignete Option.

Kasuistiken
FALL 3:

Gesundheitsberatung eines jungen, adipösen Mannes

Der Patient:

  1. 22 Jahre

  2. 172 cm

  3. 125 kg

  4. Arbeitslos

  5. Ledig, keine Kinder

  6. Risikoprofil: Adipositas
    (auch bei beiden Eltern und dem
    Bruder)

Anamnese: Der arbeitslose junge Mann war stets übergewichtig; beide Eltern und der Bruder zeigen ebenfalls eine deutliche Adipositas. Nun sucht er Rat, wie er das ständige Gewicht-Zunehmen in den Griff bekommt (derzeitiger BMI 42,3 = morbide Adipositas).

Diagnostische Abklärung: Am Beginn der Beratung stehen stets die genaue Anamnese und die Statuserhebung. Ein Routinelabor soll Auffälligkeiten in den Leber-, Nieren- und Stoffwechselparametern, dem Blutbild und den Elektrolyten sowie im Hormonstatus (v. a. Schilddrüse, Testosteron) aufdecken. Die Analyse der Essgewohnheiten und des Bewegungsumfangs muss der nächste Teil der Exploration sein. Zu diesem Zeitpunkt sollte bereits die Beiziehung eines Psychologen und Physiotherapeuten/Sportwissenschaftlers diskutiert werden.

Therapeutisches Vorgehen: Gemeinsam sollte dann ein individuelles Programm gestartet werden (Konkordanz). Wichtig ist es vor allem, die definierten Ziele nicht zu hoch anzusetzen. Auch eine Beratung bezüglich eines Aufenthalts in einem spezifischen Rehabilitationszentrum und der Möglichkeit bariatrischer Operationen sollte erwogen werden.

FALL 4:

Manager mit Palpitationen nach Alkoholgenuss

Der Patient:

  1. 55 Jahre

  2. 180 cm

  3. 77 kg

  4. Manager

  5. verheiratet, 2 erwachsene Kinder

  6. Risikoprofil: beruflicher Stress

Anamnese: Der schlanke Mann (BMI 23,8) mit großem beruflichem Stress leidet seit mehreren Monaten an unterschiedlich lang dauernden Phasen von unruhigem Herzschlag, teils auch Herzrasen. Sie treten meist in Ruhe und/oder nach einem opulenten Mahl mit vermehrtem Alkoholgenuss auf. Mittels EKG konnten die Arrhythmien bisher nicht dokumentiert werden.

Diagnostische Abklärung: Eine kardiovaskuläre Exploration mittels Belastungs-EKG und Echokardiografie zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit, eines Vitium cordis oder einer Kardiomyopathie sollte erfolgen; die Dokumentation des gemessenen Blutdrucks ist notwendig. Für die EKG-Dokumentation bieten sich ein Event-Rekorder oder invasiv der Loop-Rekorder an.

Diagnose: Die Wahrscheinlichkeit eines paroxysmalen Vorhofflimmerns ist sehr hoch (aufgrund des CHA2DS2-VAsc-Scores von 0 besteht keinerlei Indikation für eine Antikoagulation).

Therapeutisches Vorgehen: Der Patient sollte angehalten werden, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen (etwa 2–3 Liter täglich). Auf die tägliche Gabe von Kalium (½ Banane, 1 Rippe Schokolade mit 70% Kakaogehalt oder eine Handvoll Nüsse) und Magnesium ist zu achten. Außerdem sollte er im Valsalva-Manöver unterwiesen werden. Am effektivsten ist folgende Maßnahme: hinlegen, Beine hochlagern, Atem gegen zugehaltene Nase pressen. Des Weiteren sind regelmäßiges Ausdauertraining– aber das Vermeiden von Überlastung– und das Erlernen von Entspannungsmaßnahmen (Atemübungen, Joga etc.) wichtig. Meiden sollte er den gelegentlichen übermäßigen Alkoholgenuss.

FALL 2:

Lebensstilberatung einer Diabetikerin mit Übergewicht

Die Patientin:

  1. 65 Jahre

  2. 162 cm

  3. 90 kg

  4. Hausfrau

  5. 2 erwachsene Töchter

  6. Risikoprofil: Diabetes, Übergewicht

Anamnese: Bei der Hausfrau ist seit etwa acht Jahren ein Diabetes mellitus Typ 2 bekannt. Anfangs diätetisch eingestellt, erhielt sie zunächst Metformin bis zu 2 x 1000 mg pro Tag. Nun präsentiert sie sich übergewichtig (BMI 34,3) mit einem aktuellen HbA1c-Wert von 9,5 %. Vordringliches Ziel ist es, das kardiovaskuläre Risikoprofil in puncto Lebensstil positiv zu verändern und parallel dazu die blutzuckersenkende Therapie zu verbessern. Mittelfristig sollte ein HbA1c-Wert von < 7,0 % angestrebt werden.

Diagnose: Bei der klinischen Untersuchung fiel eine bislang nicht entdeckte arterielle Hypertonie auf, im Echo zeigten sich Zeichen einer diastolischen Funktionsstörung.

Therapeutisches Vorgehen: Aufgrund der erhobenen Befunde wurde entsprechend den aktuellen Diabetesrichtlinien auf Empagliflozin in der (Fix-)Kombination mit Metformin umgestellt, die additive Gabe von Insulin wurde der Frau in Aussicht gestellt. Hier wäre noch vor der Insulintherapie der Einsatz von GLP1-Rezeptoragoniesten zu erwägen, weil für sie kardiovaskuläre Endpunktstudien, auch in der Primärprävention, vorliegen. Da Empagliflozin auch blutdrucksenkend wirkt, sollte der Blutdruck zunächst überwacht werden. Auf die vermehrte Diurese und verstärkte Neigung zu urogenitalen Infektionen bei Frauen muss hingewiesen werden. Hinsichtlich Ernährung und Bewegung sollte ein therapeutisches Team zusammengestellt werden (Physiotherapie, Sportwissenschaft, Psychologie gemeinsam mit dem Allgemeinmediziner und einem Diabetologen), um ein für die Diabetikerin adaptiertes Programm zu entwickeln. Das Essen sollte auf drei Tellergerichte pro Tag reduziert werden. Eine langsame, schrittweise Reduktion des Gewichts (1 kg pro Monat) sollte anhaltende Effekte auf alle Stoffwechselparameter erzielen. Beim Lipidprofil muss bei Diabetikern auch bei nur gering erhöhtem LDL-Cholesterin großzügig eine Statingabe erfolgen (Zielwert < 70 mg/dl).

Kardiovaskuläre PräventionAbb. 2: Unterschiedliche Einflüsse auf den individuellen Verlauf einer kardiovaskulären KrankheitPolitikGesellschaftKulturFamilieBerufFreundeMedienAllgemeinmedizinerFacharztApothekeTherapeutenGesundheitsanbieterITMessen, AktionenX DFP-Punkt und weiterführende Literatur:https://allgemeineplus.at/article/XXXXXXX
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