Mammakarzinom
Mit welchen Strategien Therapieresultate verbessert werden könnten
Während beim HER2-positiven Mammakarzinom mit Einführung der HER2-gerichteten Therapien eine neue Ära begonnen hat, hat nun die Immuntherapie erfolgreich Einzug in die Behandlungsoptionen beim tripelnegativen Mammakarzinom gehalten. Die pathologische Komplettremission (pCR) wird als Surrogatparameter für Langzeitoutcomes gewertet. Amdiesjährigen Brustkrebs-Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) inBerlin wurde u.a. besprochen, wie die pCR-Raten weiter erhöht werden und welche Patienten für eine Deeskalation der Therapie infrage kommen könnten.
Innerhalb der vergangenen 20 Jahre wurde in der Behandlung des tripelnegativen Mammakarzinoms ein massiver Shift hin zur Gabe einer neoadjuvanten Therapie verzeichnet und die Mehrheit der Patient*innen sollte als Kandidat*innen für präoperative Strategien erachtet werden, so die einleitenden Worte von Prof. Dr. Peter Schmid, Barts Cancer Institute, UK, der über die Implementierung neuer Substanzen beim frühen tripelnegativen Mammakarzinom (TNBC) referierte. Es gibt viele Bestrebungen, um mittels neoadjuvanter Therapie (NAT) ein maximales Downstaging zu erzielen – nicht nur, um den Patient*innen eine brusterhaltende Operation zu ermöglichen, sondern auch, um im Idealfall eine pathologische Komplettremission (pCR) zu erreichen.
Die pCR hat sich inzwischen als Surrogatparameter für die Prädiktion der Therapieresultate etabliert. Patient*innen mit einer pCR haben deutlich bessere Langzeitresultate hinsichtlich des Gesamt- und des ereignisfreien Überlebens (OS; EFS) als jene mit einer Residualerkrankung nach der NAT.1
Verbesserte Therapieergebnisse beim TNBC durch neue Substanzen?
Bei Patient*innen mit einer Non-pCR kann die adjuvante Gabe von Capecitabin als Zusatz zur postoperativen SOC(Standard of Care)-Chemotherapie (CTx) zu einer signifikanten Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) führen.2 „Die CTx ist jedoch nicht die effektivste Therapie beim TNBC“, konstatierte Schmid, was die Frage aufwirft, ob man durch neue Substanzen die pCR-Rate erhöhen und Ergebnisparameter wie das EFS optimieren kann.
Zu den Substanzen, die bereits in das Therapiemanagement des TNBC implementiert bzw. in klinischen Studien geprüft werden, zählen Immuntherapien (IO), PARP(Poly[ADP-ribose]-Polymerasen)-Inhibitoren, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und Antiandrogene. So wurde in der Phase-III-Studie OlympiA bei Patient*innen mit BRCA(Breast cancer)-Mutation in der Keimbahn (gBRCAm) und hohem Risiko nachgewiesen, dass eine einjährige adjuvante Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib vs. Placebo zu einer signifikanten Verbesserung der Therapieresultate führt. Als hohes Risiko war das Nicht-Erreichen einer pCR nach der NAT bzw. das Vorliegen von ≥pT2 oder ≥pTN1 definiert. Unter Olaparib wurde eine signifikante Überlegenheit vs. Placebo im3-Jahres-Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS; primärer Endpunkt) um 8,8% (DFS-Rate 85,9 vs. 77,1%; HR: 0,57; p<0,001) erzielt,3 die auch im 4-Jahres-iDFS weiter bestätigt werden konnte.
Erstmals wurde auch im adjuvanten Setting für einen PARP-Inhibitor ein signifikanter OS-Benefit nachgewiesen: Die 4-Jahres-OS-Rate lag bei 89,8 vs. 86,4%, die Risikoreduktion in Bezug auf die Mortalität bei 32% (HR: 0,68; p=0,0009).4
Neoadjuvante Immuntherapie beimfrühen TNBC
In mehreren Studien wurde der Zusatz eines Checkpoint-Inhibitors zu CTx im neoadjuvanten Setting untersucht. Dabei wurdenin den Phase-III-Studien KEYNOTE-5225 wie auch in IMpassion0316 Patient*innen in den Krebsstadien II/III eingeschlossen. Während in KEYNOTE-522 die pCR-Rate und das EFS als koprimärer Endpunkt definiert wurden, bildete in IMpassion031 nur die pCR-Rate den primären Endpunkt, da die Studie zu klein war (n=165 Patient*innen), um auf das EFS gepowert zu werden.5,6 Durch den Zusatz von Pembrolizumab zur CTx (Paclitaxel + Carboplatin, gefolgt von Anthrazyklin [AC] + Epirubicin) wurde ein signifikanter pCR-Benefit vs. alleinige CTx im Ausmaß von 64,8% vs. 51,2% erzielt (Differenz: 13,8%; p=0,00055).7Atezolizumab als Zusatz zu nab-Paclitaxel, gefolgt von accelerated AC, zeigte mit einer pCR-Rate von 57,6% eine vergleichbare Effektivität wie Pembro, jedoch führte die alleinige CTx in IMpassion031 nur zu einer pCR-Rate von 41,1% (Abb. 1).8 Was das EFS betrifft, wurde im Pembrolizumab-Arm eine 36-Monats-Rate von 84,5% vs. 76,8% erzielt und somit auch die signifikante Überlegenheit gegenüber der alleinigen CTx demonstriert (HR: 0,63; p=0,00031).7
„Während im metastasierten Setting die Höhe der PD-L1-Expression als prädiktiver Biomarker gewertet wird, scheint dies auf das frühe Setting nicht zuzutreffen – der Benefit der IO ist unabhängig vom PD-L1-Status, auch hinsichtlich des EFS“, merkte Schmid an und erklärte: „Unsere Hypothese besteht darin, dass im frühen Krankheitssetting im Tumor noch dynamische Veränderungen stattfinden, die schon 1–2 Wochen nach Therapiestart auftreten können. So kann ein PD-L1-negativer Tumor nach nur einer Dosis IO oder CTx binnen kurzer Zeit PD-L1-positiv werden.“
In Zukunft wird es wichtig sein, zu evaluieren, ob die adjuvante Fortsetzung der IO, wie sie in KEYNOTE-522 und IMpassion031 praktiziert wurde, bei allen Patienten erforderlich ist. Als interessanten Aspekt erwähnte Schmid auch, dass in GeparNUEVO, einer Phase-II-Studie zu IO im neoadjuvanten Setting, bei einem Teil der Patienten ein „window of opportunity“ geöffnet wurde, in welchem die Gabe des Checkpoint-Inhibitors Durvalumab 2 Wochen vor Start der CTx (nab-Paclitaxel, gefolgt von Epirubicin + Cyclophosphamid) erfolgte – eventuell sollte diese Strategie noch näher untersucht werden. Zudem war die NAT mit 18 bzw. maximal 20 Wochen kürzer als in KEYNOTE-522 mit 24 Wochen, trotzdem wurden vergleichbare Ergebnisse erzielt.9,10
pCR auch beim HER2-positiven Mammakarzinom Surrogatendpunkt
Wie beim TNBC wird auch beim HER2+ BC die pCR als Surrogatendpunkt für die Langzeitoutcomes gewertet. „Mit der Unterscheidung von pCR vs. Non-pCR können wir die weiteren Therapiestrategien gemäß der Response entscheiden. Das HER2-positive Mammakarzinom ist zweifelsohne das erfolgreichste Beispiel für diesen Ansatz“, konstatierte Assoc.Prof. Dr. Valentina Guraneri, Universität Padua.
Mit der Einführung von Trastuzumab als Zusatz zur CTx hat sich die initial schlechte Prognose des HER2-positiven Mammakarzinoms maßgeblich verbessert. Seitdem sind viele weitere Substanzen – darunter Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren – zugelassen worden, die individuell im Therapiealgorithmus der HER2-positiven Erkrankung zum Einsatz kommen können.
Möglichkeiten der Deeskalation beim HER2+ Mammakarzinom aufdem Prüfstand
Als Strategien zur Deeskalation führte Guraneri AC-freie Regimes oder das Weglassen der CTx an. So wurden in der offenen Phase-II-Studie NeoSphere vier verschiedene Therapieregimes zur Fragestellung einer Erhöhung der pCR-Rate untersucht, darunter auch die CTx-freie Kombination von Trastuzumab mit Pertuzumab. In dieser Studie führte das CTx-freie Schema allerdings zu ernüchternden Ergebnissen: Unter der Dreifachkombination Trastuzumab+Pertuzumab+Docetaxel wurde mit 45,8% die höchste pCR-Rate erzielt, die pCR-Rate unter Trastuzumab+Pertuzumab belief sich auf nur 16,8%. Der Effekt der Dreierkombination setzte sich auch bei der 5-Jahres-PFS-Rate fort – diese belief sich unter Trastuzumab+Pertuzumab+Docetaxel auf 86% und war damit am höchsten.11,12
Es gibt aber auch andere Studien, in denen sich CTx-freie Regimes durchaus als vielversprechend erweisen haben. Für die Entscheidung, ob neoadjuvant eine Deeskalation durchgeführt werden kann, spielen Biomarker eine wesentliche Rolle. In der offenen Phase-III-Studie PAMELA wurde der Frage nachgegangen, ob der HER2-enriched Subtyp das Potenzial aufweist, eine Aussage über das Erreichen einer pCR zu treffen. Die Patient*innen wurden mit Trastuzumab und Lapatinib behandelt. Biopsien zur Bestimmung der intrinsischen molekularen Subtypen wurden zu Baseline und am Tag 14 der NAT entnommen. Dabei wurde festgestellt, dass tatsächlich die meisten Patient*innen mit einer pCR (41 von 46) einen HER2-enriched Subtyp aufwiesen.13 In der Zwischenzeit wurde diese Vermutung in einer Metaanalyse von 5 Studien, in denen die Patient*innen eine duale HER2-Blockade erhalten hatten (Trastuzumab+Pertuzumab bzw. Trastuzumab + Lapatinib), bestätigt.14
In der Phase-II-Studie PerELISA mit postmenopausalen HER2+/Hormonrezeptor-positiven Frauen wurde der Ki67-Status als Prädiktor für die Entscheidung für eine Deeskalation eingesetzt. Er wurde zur Baseline und zwei Wochen nach einer Letrozol-Einnahme bestimmt. Als Cut-off wurde eine Reduktion um >20% definiert, d.h., bei Patientinnen, bei denen nach zwei Wochen eine Ki67-Abnahme um >20% nachgewiesen worden war, wurde die NAT mit Trastuzumab+Pertuzumabfortgesetzt. Jene Patientinnen, auf die das nicht zutraf, wurden als Non-Responder klassifiziert und erhielten in der Folge zusätzlich zu Trastuzumab+Pertuzumab eine Therapie mit Paclitaxel für 13 Zyklen. Auch in dieser Studie wurde eine signifikante Assoziation zwischen der Ki67-Response und dem Erreichen einer pCR festgestellt.15
Weitere Prädiktoren für den Therapieerfolg
„Wir sehen Patient*innen, die eine pCR erreichen und trotzdem einen Relaps durchmachen, und andere mit einer Non-pCR, die exzellente Therapieresultate aufweisen“, merkte Guraneri an. Aus diesem Grund sei es hilfreich, weitere Prognoseparameter heranzuziehen, die eine präzisere Aussage über den Verlauf ermöglichen. In diesem Zusammenhang hat sich der RCB(„Residual cancer burden“)-Score etabliert, der neben dem Ausmaß der Residualerkrankung das yp-Stadium miteinbezieht. Der Score wird in vier prognostische Subgruppen unterteilt, wobei RCB 0 einer pCR gleichgesetzt wird, und ist inzwischen für alle Brustkrebs-Subtypen validiert. Es konnte eine klare Korrelation zwischen der RCB-Gruppe und dem Überleben festgestellt werden: Je höher der RCB-Score, umso höher das Mortalitätsrisiko.16
Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass sich ein HER2-Verlust nach der NAT negativ auf die Therapieergebnisse auswirken könnte. Die Autoren der entsprechenden Studie empfehlen demnach die Bestimmung des HER2-Status bei Vorliegen einer Non-pCR, da Patient*innen mit HER2-Verlust ein höheres Rezidivrisiko aufwiesen als jene, bei denen die HER2-Positivität aufrechterhalten blieb.17
Auch die Zahl der tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) zu Baseline dürfte sowohl mit dem Ansprechen auf die NAT als auch mit dem Überleben assoziiert sein: Denkert et al. haben für das TNBC und das HER2-positive Mammakarzinom gezeigt, dass eine erhöhte TIL-Konzentration mit einem besseren Ansprechen auf die NAT und einem OS-Benefit einhergeht. Der Level an TIL könnte demnach als Stratifikationsfaktor bei Patient*innen mit und auch jenen ohne pCR zur Anwendung kommen.18
Guraneri sprach in diesem Zusammenhang von der Heterogenität der pCR. Schließlich spielt auch noch das Tumorstadium eine Rolle bezüglich der Prognose: Patient*innen in höherem Stadium bei Diagnose habenim Vergleich mit solchen in niedrigeren Stadien trotz pCR nach wie vor ein höheres Risiko für eine schlechte Prognose.19◼
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Quelle:
ESMO Breast Cancer 2022, 3.–5. Mai 2022, Berlin und virtuell
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ESMO Breast Cancer 20223.–5. Mai 2022, Berlin und virtuell41,1%
57,6%
Δ16,5%
p=0,0044
Impassion 031
pCR
95/165
69/168
Placebo + Chemo
Atezo + Chemo
pCR (ypT0/is ypN0)
Keynote 522
Δ13,6%
p=0,00055
64,8%
51,2%
Placebo + Chemo
260/401
103/201
Pembro + Chemo
ypT0/Tis ypN0
pCR
Abb. 1:Der Zusatz einer Immuntherapie zur Chemotherapie führt zu einer signifikanten Verbesserung der pCR-Rate in der ITT(„Intent to treat“)-Population. Modifiziert nach Schmidt P et al.7 und Harbeck N et al.8