Therapie des NSCLC mit Atezolizumab
Reduktion der Rezidivraten auch im adjuvanten Setting
Bereits seit einigen Jahren befindet sich der PD-L1-Antikörper Atezolizumab (Tecentriq®) in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten Lungenkarzinoms als Monotherapie sowie als Kombinationspartner im Einsatz. Seit Kurzem steht der Checkpoint-Inhibitor nun auch für die adjuvante Behandlung nach vollständiger Tumorresektion im kurativen Setting des NSCLC zur Verfügung. Die Zulassungserweiterung basierte auf Daten der pivotalen IMpower010-Studie.
Die Notwendigkeit der klinischen Evaluierung erfolgreicher Behandlungsstrategien in früheren Therapielinien beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (eNSCLC) und somit auch im adjuvanten Setting ergibt sich aus der Tatsache, dass rund die Hälfte der neu diagnostizierten NSCLC-Patienten Tumoren im lokalisierten (I und II) bzw. lokal fortgeschrittenen (III) Stadium aufweisen.1 Die vollständige operative Entfernung stellt in den Stadien I und II bzw. in einigen ausgewählten Fällen auch im Stadium III die Therapie der Wahl dar.2 Allerdings sind die Langzeit-Outcomes selbst bei kurativer Intention insgesamt suboptimal. Während die Fünfjahresüberlebensrate nach Resektion im Stadium IA1 92% beträgt, beläuft sie sich im Stadium IIIA nur mehr auf 36%, was auf das Vorhandensein von Mikrometastasen bereits zum Operationszeitpunkt und somit auf den potenziellen Nutzen einer systemischen Behandlung hinweist.3
Bedarf an neuen adjuvanten Optionen
Das etablierte adjuvante Konzept umfasst die Gabe einer platinbasierten Kombinationschemotherapie im Anschluss an die vollständige Tumorresektion.4,5 Die Effektivität dieser Strategie lässt jedoch zu wünschen übrig; gegenüber der alleinigen Observation ergab sich in Studien lediglich eine Verbesserung der Langzeitüberlebensrate im Umfang von 4–5%.6,7 Zu möglichen Alternativen zählen etwa die Gabe des EGFR(epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor)-Tyrosinkinaseinhibitors Osimertinib, der in der ADAURA-Studie eine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) bewirkte, diese Therapieform können jedoch nur Patienten mit EGFR-mutierten Tumoren in Anspruch nehmen.8 Insofern besteht ein hoher Bedarf an weiteren potenten Optionen, um die klinischen Ergebnisse auf lange Sicht zu verbessern.
Immuncheckpoint-Inhibitoren entfalten von Driver-Aberrationen unabhängig ihre Effekte und haben daher die Behandlungskonzepte beim nicht resezierbaren, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC bereits grundlegend verändert. Der PD-L1(„programmed cell death 1 ligand 1“)-Antikörper Atezolizumab (Tecentriq®) zeigte in klinischen Studien Wirksamkeit bei einem tolerablen Verträglichkeitsprofil, weshalb ein möglicher Einsatz im Frühstadium der Erkrankung in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses rückte.9–12
DFS-Verbesserung in IMpower010
Die randomisierte, multizentrische, offene Phase-III-Studie IMpower010 wurde initiiert, um Atezolizumab als adjuvante Therapie über ein Jahr nach kompletter Resektion (Lobektomie bzw. Pneumonektomie) von Tumoren im Stadium IB–III und 1–4 Zyklen einer anschließenden Cisplatin-basierten Chemotherapie zu prüfen (Abb. 1).13 Insgesamt wurden 1005 Patienten an 227 Zentren in 22 Ländern randomisiert. Drei bis acht Wochen nach der letzten Chemotherapie-Dosis erfolgte die Zuteilung zu Atezolizumab 1200mg alle 21 Tage über maximal 16 Zyklen (n=507) oder Best Supportive Care (BSC; n=498). Als primärer Endpunkt galt das DFS. Hier sah das Protokoll eine hierarchische Testung vor: Primär wurde die Gruppe im Stadium II–IIIA mit einer PD-L1-Expression ≥1% evaluiert, gefolgt von allen randomisierten Patienten im Stadium II–IIIA und schließlich der Intention-to-Treat(ITT)-Population (IB–IIIA).
Tatsächlich bewirkte die adjuvante Gabe von Atezolizumab eine signifikante DFS-Verlängerung. In der Population im Stadium II–IIIA mit PD-L1-Expression ≥1% war das mediane DFS im Prüfarm zum Zeitpunkt der Primäranalyse noch nicht erreicht worden und betrug im Kontrollarm 35,3 Monate, was einer Risikoreduktion um 34% entsprach (HR: 0,66; p=0,0039). Nach 36 Monaten wurden 60,0% vs. 48,2% der Patienten als krankheitsfrei eingestuft. Für alle randomisierten Teilnehmer im Stadium II–IIIA resultierte eine Risikoreduktion um 21% (medianes DFS: 42,3 vs. 35,3 Monate; HR: 0,79; p=0,020), und in der ITT-Population nahm das Rezidivrisiko um 19% ab (nicht erreicht vs. 37,2 Monate; HR: 0,81; p=0,040). Die Sicherheitsdaten für Atezolizumab standen in Übereinstimmung mit dem aus anderen Monotherapiestudien in verschiedenen Indikationen und Therapielinien bekannten Profil. Therapiebezogene Grad-3/4-Nebenwirkungen traten bei 11% auf, Todesfälle im Zusammenhang mit der Behandlung bei 1%.
57%ige DFS-Raten-Verbesserung bei hoher PD-L1-Expression
Als einer der sekundären Endpunkte der IMpower010-Studie galt das DFS in der Gruppe der Patienten im Stadium II–IIIA, deren Tumorzellen eine PD-L1-Expression ≥50% aufwiesen. Am European Lung Cancer Congress präsentierten Felip et al. Daten zu diesem Kollektiv.14 Nach Ausschluss der Patienten mit EGFR-Mutationen und ALK-Aberrationen resultierte eine 57%ige Risikoreduktion im Hinblick auf das DFS (nicht erreicht vs. 37,3 Monate; HR: 0,43; Abb. 2). Dies entsprach dem Ergebnis in der Gesamtgruppe im Stadium II–IIIA mit PD-L1-Expression ≥50% (nicht erreicht vs. 35,3 Monate). Unabhängig von den Patienten- und Tumorcharakteristika konnte in den meisten Fällen ein signifikanter DFS-Benefit durch die adjuvante Immuntherapie erreicht werden. Die Daten zum Gesamtüberleben waren zum Analysezeitpunkt noch nicht reif.
Das Sicherheitsprofil der Patienten im Stadium II–IIIA mit PD-L1-Expression ≥50% entsprach jenem der ITT-Population. Therapiebedingte Grad-3/4-Nebenwirkungen wurden bei 11% verzeichnet. Kein Patient starb aufgrund der Behandlung. Zu Therapieverzögerungen bzw. -abbrüchen aufgrund von unerwünschten Ereignissen kam es bei 29% bzw. 19%.
Reduktion der Fernmetastasierung
Genauere Betrachtungen von Inzidenz und Muster der Rezidive in der Gruppe im Stadium II–IIIA mit PD-L1-Expression ≥50% zeigten, dass im Vergleich zum BSC-Kollektiv nur halb so viele mit Atezolizumab behandelte Patienten ein Rezidiv als erstes DFS-Ereignis erlitten (22% vs. 44%). Dabei bestand ein Vorteil in Bezug auf Fernmetastasen, während lokoregionale Rezidive mit vergleichbarer Häufigkeit auftraten (Abb. 3). Ein geringerer Anteil der Patienten im Prüfarm entwickelte ausschließlich Fernmetastasen (5% vs. 18%), und auch eine isolierte ZNS-Metastasierung wurde seltener unter Atezolizumab dokumentiert (1% vs. 6%). Bei 4% vs. 8% der Patienten manifestierten sich sowohl lokoregionale Rezidive als auch Fernmetastasen. Sekundäre Primärtumoren der Lunge traten nur im Kontrollarm auf. Die mediane Zeit bis zum Rezidiv betrug 18,1 vs. 10,1 Monate.
Wie die Autoren festhalten, bekräftigen die Resultate das günstige Nutzen-Risiko-Profil von Atezolizumab. Basierend auf dieser Auswertung wurde Atezolizumab vor Kurzem als Monotherapie nach vollständiger Resektion und platinbasierter Chemotherapie für die adjuvante Behandlung erwachsener Patienten mit NSCLC und hohem Rezidivrisiko zugelassen, wenn die Tumoren eine PD-L1-Expression ≥50% aufweisen und EGFR- bzw. ALK(anaplastische Lymphomkinase)-Aberrationen ausgeschlossen wurden.15◼
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch Roche Austria GmbH
Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | M-AT-00002132
DFS (%)
© XXXXX
Zeit (Monate)
Abb. 2: Krankheitsfreies Überleben bei Patienten mit ≥50%iger PD-L1-Expression im Stadium II–IIIA nach Ausschluss der Gruppe mit EGFR-/ALK-positiven Tumoren. Modifiziert nach Felip E et al.14
Patienten mit Rezidiv (%)
Atezolizumab (n=115)
BSC (n=114)
Abb. 3:Häufigkeit und Verteilung von Rezidiven unter Atezolizumab vs. Best Supportive Care. Modifiziert nach Felip E et al.14
Abb. 1:Therapiekonzept der IMpower010-Studie
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© Universimed
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