Sterbeverfügungsgesetz

Was kommt auf uns zu?

Die Neuregelung der Suizidassistenz in Österreich wurde 2019 angestoßen und ist seit Anfang des Jahres gesetzlich verankert. Siestelltdie Selbstbestimmung des Einzelnen in den Mittelpunkt, dieGesellschaft und vor allem die Mitarbeitenden im Pflege- und Gesundheitsbereich jedoch vor neue Herausforderungen.

Der Umgang mit dem Lebensende sowie die Frage über eine ethische Beendigung des Lebens kann zu einer der am häufigsten debattierten Thematiken der modernen Moralphilosophie gezählt werden. Zentral beleuchtet wurde dieses Thema vor allem in den letzten 20 Jahren, auch auf politischer Ebene, da sowohl dort als auch innerhalb der Gesamtbevölkerung Österreichs vermehrt Stimmen laut wurden, die sich für eine Lockerung der Regelungen des assistierten Suizids aussprachen.

Der lange Weg zum Beschluss des Gesetzes

Noch im Jahr 2016 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Untersagung der Gründung des Vereins „Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“ mit der Begründung bestätigt, dass §78 StGB (s. rechts) nicht verfassungswidrig ist. Dies deshalb, da der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat, wenn er das generelle Verbot der Beihilfe zum Selbstmord als Schutz der Gesundheit und der Moral oder als Schutz der Rechte und Freiheiten anderer als notwendig erachtet.1

Bewegung kam erst 2019 in die Sache, als vier Personen (zwei Schwerkranke, eine gesunde Person und ein Arzt) das Verbot der aktiven Sterbehilfe und das Verbot der Mitwirkung am Selbstmord für verfassungswidrig hielten und die Aufhebung dieser beiden Bestimmungen (§§77 und 78 StGB) beantragten.2

Zum besseren Verständnis der daraus resultierenden Folgen sollen im Weiteren die zentralen Aussagen des betreffenden Erkenntnisses wie auch der darauf basierenden Regierungsvorlage (RV 1177 BlgNR 27. GP) zusammengefasst werden.3

Der VfGH hob, mit Erkenntnis vom 11.12.2020 und Wirkung ab 01.01.2022, die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ in §78 StGB als verfassungswidrig auf. Nicht angetastet wurden hingegen das Verbot, jemanden auf dessen Verlangen zu töten (§77 StGB), wie auch das weiter gehende Verbot, jemanden dazu zu verleiten, sich selbst zu töten (§78 erster Fall StGB). Entsprechend darauf gerichtete Anträge wurden zurückgewiesen.

Weiters wurde das „zentrale Recht auf freie Selbstbestimmung aus der Bundesverfassung“ durch den VfGH, in seinem Erkenntnis vom 11.12.2020, in der vorliegenden Form erstmals ausdrücklich herausgearbeitet und festgehalten, dass dieses Recht zum einen das „Recht auf Gestaltung des Lebens“ und zum anderen gleichermaßen das „Recht auf ein menschenwürdiges Sterben“ umfasst. Dazu gehört insbesondere auch das Recht des Suizidwilligen, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen.

Zum Zwecke der Feststellung der Auswirkungen dieses Erkenntnisses wie auch der Auslotung des daraus für den Gesetzgeber erzeugten Handlungsbedarfs kam es neben der Durchführung eines im Bundesministerium für Justiz eingerichteten Dialogforums weiters zur Abhaltung diverser, themenspezifischer Veranstaltungen und Diskussionsrunden. Ein erster Gesetzesentwurf wurde Ende Oktober 2021 mit einer lediglich dreiwöchigen Begutachtungsfrist vorgelegt. Zur fundamentalen Beschlussfassung des Parlaments zugunsten des Gesetzes kam es letztendlich am 16.12.2021.

Fokus auf Selbstbestimmung

Es ist klar zu erkennen, dass der primäre Fokus des Sterbeverfügungsgesetzes – im Bestreben einer umfassenden Implementierung des Erkenntnisses des VfGH – auf dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen liegt. In dieser Hinsicht soll es dem jeweils Betroffenen möglich sein, unter Berücksichtigung eines entsprechend „freien und selbstbestimmten Entschlusses“, sein Leben zu beenden. Gleichermaßen soll er diesbezüglich in der Lage sein, sich auch der Hilfe eines dazu bereiten Dritten zu bedienen. Ergänzend kommen die vom VfGH geforderten Absicherungsmechanismen hinzu, um der dazu hilfsbereiten Person die „Entscheidung zur Selbsttötung auf freier Selbstbestimmung“ durch die Assistenz suchende Person garantieren zu können.

Konkret benötigt eine suizidwillige Person die Aufklärung durch zwei voneinander unabhängige Ärzt*innen, eine/r davon muss palliativmedizinische Kompetenz aufweisen. Diese müssen die Entscheidungsfähigkeit der Person bestätigen, im Zweifelsfall muss eine psychiatrische oder psychologische Expertise eingeholt werden. Die suizidwillige Person muss an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden.

Nach einer Stillhaltefrist von drei Monaten (bei terminalen Patienten reduziert sich diese auf 2 Wochen) kann die Sterbeverfügung bei einer rechtskundigen Person erstellt werden und die suizidwillige Person kann damit das todbringende Medikament Natrium-Pentobarbital in der Apotheke beziehen. Als Ort der Durchführung wurde gesetzlich der private Rahmen genannt, das Medikament muss von der Person selbstständig eingenommen werden.4

Herausforderungen für den Pflege- und Gesundheitsbereich

Vom Gesetzgeber wurde im Paragraf 2 des Sterbeverfügungsgesetzes ein Benachteiligungsverbot verankert, somit ist die Mitwirkung am assistierten Suizid freiwillig und weder Einzelpersonen noch Institutionen dürfen benachteiligt werden, wenn sie die Aufklärung der suizidwilligen Person oder die Durchführung der Suizidassistenz verweigern.

Damit ist jede Organisation, aber auch jeder Einzelne persönlich und in seinem beruflichen Selbstverständnis gefordert, Stellung zu beziehen und seine eigenen Grenzen abzustecken. Dies erfordert im Vorfeld eine fachlich fundierte und wertfreie Auseinandersetzung mit dem Thema Suizidassistenz nach ethischen Grundsätzen.

Es empfiehlt sich für alle Träger im Pflege- und Gesundheitsbereich, ihre Mitarbeiter*innen über das neue Sterbeverfügungsgesetz zu informieren und klare Handlungsanweisungen für die alltägliche Praxis zu erstellen.

Auch wenn sich eine Institution gegen die Suizidassistenz entscheidet, hat jeder Suizidwillige das persönliche Recht, auch in Einrichtungen wie Pflegheimen, Hospizen oder Krankenanstalten mit gültiger Sterbeverfügung das todbringende Medikament dort einzunehmen. Hier gilt es für die Betreuer*innen, im Moment der Einnahme die Entscheidungsfähigkeit zu beurteilen.

Im Gespräch mit den Patient*innen sollte man sich vor Augen halten, dass zwar jeder Suizidwunsch aus einem Sterbewunsch entsteht, ein Sterbewunsch aber nicht immer mit einem Suizidwunsch gleichzusetzen ist. Die Ursachen für Sterbewünsche sind vielfältig, oft bedeutet er „SO möchte ich nicht mehr leben“. In der professionellen Begleitung ist es entscheidend, diese Wünsche wahrzunehmen und Verständnis zu zeigen.

Bei schwerkranken und sterbenden Menschen mit Sterbe- und Suizidwünschen ist es Aufgabe der Palliative Care, körperliche oder psychosoziale Belastungen zu reduzieren und somit die Lebensqualität zu verbessern. Ein wichtiges Ziel der Hospiz- und Palliativbegleitung ist die Unterstützung, das Leben so lange wie möglich aktiv zu leben bis zum Tod, das Sterben weder zu verzögern noch zu beschleunigen. Suizidassistenz gehört nicht zu den Aufgaben der Hospiz- und Palliativarbeit. Auch die Österreichische Palliativgesellschaft hat sich hier positioniert und Handlungsempfehlungen in der „Handreichung zum Umgang mit Sterbewünschen und dem Wunsch nach Beihilfe zum Suizid“ veröffentlicht.5

Fazit der Autorinnen

Letztlich stellt sich die Frage, ob eine gesetzliche Regelung wie das Sterbeverfügungsgesetz den suizidwilligen Personen gerecht werden kann, zumindest wurde das hohe Gut der Selbstbestimmtheit gestärkt. Im Sinne einer Sorgekultur muss aber gerade den im Pflege- und Gesundheitsbereich Tätigen bewusst sein, dass Menschen mit Suizidwünschen sich immer in einer Krise befinden, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet jeden Suizid als Tragödie. Es wird unsere Aufgabe sein, diesen Menschen wertfrei entgegenzutreten, die Betreuung aufrechtzuerhalten und sie in dieser schwierigen Situation nicht alleine zu lassen. Besonderes Augenmerk liegt hier auf der Betreuung der Angehörigen und der Suizidassistenten, um hier traumatisierende Erlebnisse zu vermeiden und Belastungen zu reduzieren. ◼

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Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX

Die Ursachen für Sterbewünsche sind vielfältig, eine professionelle Begleitung entscheidend

Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <quotes>Element not implemented: <author>M. Gmeinbauer-Huber, LinzC. Grebe, Linz

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© Mag. Gmeinbauer-Huber

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