Die Zukunft der Primärversorgung

Die Primärversorgung bildet die Basis für die gesundheitliche Versorgung und wurde bis dato in Österreich zumeist in Einzelpraxen organisiert. Im Jahr 2017 haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung auf einen Ausbau multidisziplinärer Primärversorgungseinheiten (PVE) geeinigt. Trotz anfänglichen Zögerns soll das Modell künftig weiter forciert werden, bietet es doch Vorteile für alle Beteiligten.

PVE liegen im Trend

Die Primärversorgung mit ihren über 3700 Vertragsallgemeinmedizinern sowie weiteren 240 Vertragskinderärzten ist der Kern der österreichischen Gesundheitsversorgung: Sie sind überall im Land die ersten Ansprechpartner für Patienten im Gesundheitssystem – bzw. sollen sie es sein. Während ein Großteil der hausärztlichen Versorgung nach wie vor in Einzelpraxen erbracht wird, etablieren sich Primärversorgungseinheiten (PVE) neben Gruppenpraxen mehr und mehr in der Versorgungslandschaft.

In einer PVE arbeiten Allgemeinmediziner mit anderen Berufsgruppen wie z.B. Therapeuten, Psychologen, DGKP, Sozialarbeitern, Diätologen usw. eng zusammen. Teil des Teams einer PVE können auch Kinderärzte sein. Alle Seiten gewinnen durch so eine multiprofessionelle Zusammenarbeit: Ärzte erhalten in der PVE eine größere Flexibilität, genießen aber gleichzeitig die Sicherheit einer Kassenarztstelle. Es ist nicht nur möglich, sich die Arbeitszeit mit den anderen Kolleginnen und Kollegen einzuteilen, sondern es können auch Stellen geteilt werden. Patienten profitieren wiederum von langen Öffnungszeiten und einem umfassenden Leistungsangebot.

Der Ausbau dieser PVE in Form von Zentren oder Netzwerken ist daher ein erklärtes Ziel der Österreichischen Gesundheitskasse.

Der Start war nicht einfach

Bund, Länder und Sozialversicherung haben sich im Jahr 2017 auf einen Ausbau von 75 PVE bis Ende 2021 geeinigt. Am Ende des Jahres 2021 stehen wir nun bei 29 PVE. Das Ziel ist also trotz großer Bemühungen nicht erreicht worden. Gründe hierfür gibt es viele. Die neue Primärversorgung hatte keinen leichten Start: Lange Zeit fehlten rechtliche und vertragliche Grundlagen. Zudem standen Ärztekammern dem neuen Versorgungsmodell skeptisch gegenüber. Das erzeugte Unsicherheit aufseiten der potenziellen Interessenten. Der ÖGK und sonstigen Stakeholdern ist es offensichtlich nicht gelungen, die zahlreichen Vorteile von PVE sowohl für die Patienten als auch für die Gesundheitsberufe überzeugend zu kommunizieren. Dass dennoch so viele PVE gegründet wurden, lag nicht zuletzt an dem großen Engagement der jeweiligen Ärzte, die den Mehrwert für sich selbst und die Versorgung ihrer Patienten erkannten. Sie haben wichtige Pionierarbeit geleistet und gemeinsam mit uns Standards gesetzt, auf denen wir jetzt alle aufbauen.

Heute sind wir weiter. Die entscheidenden rechtlichen und vertraglichen Grundlagen existieren, und auch in den Ärztekammern wird das Potenzial für Ärzteschaft und Bevölkerung erkannt. Dennoch sind noch nicht alle Probleme gelöst: Von der Idee einer neuen PVE bis hin zur tatsächlichen Invertragnahme vergeht immer noch viel zu viel Zeit, die unter anderem für das langwierige gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibungsprozedere benötigt wird.

Der ambitionierte Ausblick

Die ÖGK hat auf Basis von Regionalen Strukturplänen (RSG) das sehr ambitionierte Ziel, bis 2025 bis zu 130 Primärversorgungseinheiten österreichweit unter Vertrag zu nehmen. PVE sollen so – neben den weiterhin bestehenden Einzelpraxen – zu einer voll etablierten Ordinationsform werden, in der Allgemeinmediziner sowie auch Kinderärzte in Österreich ihren Beruf ausüben können und eine Zukunft sehen.Um diesen Ausbau von PVE zu erreichen, braucht es unseres Erachtens Folgendes:

  • Ärztekammern, ÖGK und Bundesländer müssen an einem Strang ziehen. Ein gemeinsames Engagement und eine gemeinsame Planung sind unabdingbar, um regional den Ausbau der Primärversorgung vorantreiben zu können. Beispielsweise wurde in Wien bereits eine Vereinbarung getroffen, bis 2025 die im RSG vorgesehenen 36 PVE auszuschreiben.

  • Die ÖGK und sonstige Stakeholder müssen die Interessentenberatung erweitern.

  • Die Kinder- und Jugendheilkunde muss stärker einbezogen werden, sei es durch die verstärkte Mitarbeit von Kinderärzten in PVE oder durch die Einrichtung eigener „Kinder-PVE“.

Wichtig ist darüber hinaus eine intensive positive Kommunikation aller Stakeholder. Die Allgemeinmedizin im Allgemeinen und die Tätigkeit in PVE im Speziellen sind eine spannende und erfüllende Arbeit. Sie bringen viele Vorteile wie ein gutes Einkommen, flexible Arbeitsbedingungen und einen sicheren Job mit sich. Vertragsärzte sollen Freude an ihrem Beruf haben und die Vorteile auch offensiv kommunizieren. Hierzu ist es auch notwendig, dass junge Ärzte diese Vorteile bereits in ihrer Ausbildung, die vermehrt im niedergelassenen Bereich stattfinden muss, kennen und schätzen lernen. Die Lehrpraxis und Mentoringprogramme für junge Ärzte sind der ÖGK deshalb besondere Anliegen.

Die Zeichen für einen frischen Wind stehen gut – auch weil die Österreichische Gesundheitskasse jetzt regionale Best-Practice-Modelle bundesweit forcieren kann. Um wirklich erfolgreich zu sein, braucht es aber auch die Mithilfe des Bundes, der Länder und der Ärztekammern. Allfällige Finanzierungsprobleme können mit den neuen Fördermitteln aus dem EU-Aufbaufonds besser abgefedert werden.

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Leiter Fachbereich Versorgungsmanagement 1Österreichische Gesundheitskasse

E-Mail: franz.kiesl@oegk.at

Web: www.oegk.at


Mag. Franz Kiesl, MPM

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